Federflug 24 – ab sofort im Shop erhältlich

Zwei neue Fundstücke für die Eduard Scriba-Ausstellung:

„Reise durch die Schweiz im Spätsommer 1835“
mit Hermann Wiener und
Gedicht in lateinischer Sprache von Gustav Soldan
zu Eduards Geburtstag 1834 oder 1835

Nachdem ich 2016 am „Rundbuch der Familie Scriba“ (Federflug 21 und 22) und 2017 an einer Dokumentation über meinen Ururgroßonkel Eduard Scriba (Federflug 23) gearbeitet hatte, flog mir Anfang 2019 wieder ein interessantes Stück Familiengeschichte ins Haus: Karin Scriba, Schriftführerin des Scriba-Familienbundes, schickte mir ein Heft: „Reise durch die Schweiz Spätsommer 1835“ von Eduard Scriba, 80 engbeschriebene Seiten in winziger, gleichmäßiger deutscher Schönschrift, mit Zeichnungen ergänzt (eine Karte mit der Reiseroute,

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Berge, die bestiegen wurden mit vielen Details und Höhenlinien und die drei Eidgenossen, die auf der Rütli-Wiese geschworen haben sollen).

Karin hatte es von Hannes Scriba, D-Linie, Urenkel von Ferdinand (Eduards 10 Jahre jüngerer Bruder), Enkel vom Wetterfelder Eduard, Sohn von Ferdinand Scriba und Käthe Palm, bekommen. In dieser Reihenfolge wurde der Reisebericht wohl weitergegeben und wird so schließlich zu Hannes gekommen sein.
Eduard hatte in jedem Jahr seines Aufenthalts in der Schweiz von 1833 bis 1836 Wanderungen unternommen. In Federflug 23 befinden sich Auszüge einer Wanderung von 1834 mit Schülern der Privatschule Solitude in Lausanne, an der Eduard Lehrer war, aus alten Scriba-Familienblättern. Der vollständige Bericht scheint nicht mehr zu existieren. Ein vollständiger Reisebericht einer zweitägigen Wanderung von 1836, kurz vor der Ausweisung aus der Schweiz, ausführlich dokumentiert von Ferdinand Scriba, der mit Bruder Eduard wandern wollte, um die hohen Berge der Alpen zu bewundern, ist in Federflug 23 vollständig übernommen. Das Original befindet sich im Staatsarchiv Darmstadt, von dort bekam ich 2017 eine digitalisierte Kopie.
Nachdem ich gerade schon eifrig angefangen hatte, den Reisebericht von 1835 zu transkribieren, erfuhr ich durch den direkten Kontakt mit Hannes, dass er diese Arbeit schon vor etlichen Jahren gemacht hatte und sogar ein Buch in kleiner Auflage hatte drucken lassen, welches ich samt der Datei von ihm bekam. Ich musste also nicht mehr transkribieren und tippen, stattdessen habe ich die Datei mit dem Original verglichen, die alte Rechtschreibung wieder übernommen und in Fußnoten und einer tabellarischen Gegenüberstellung den Zusammenhang mit Federflug 23 hergestellt.
Der Reisebericht ist nicht nur eine liebevolle Landschafts- und Naturbeschreibung der knapp sechswöchigen Wanderung der beiden Freunde Eduard und Hermann Wiener durch einen großen Teil der Schweiz (meistens zu Fuß von Lausanne über Lauterbrunnen, Glarus, St. Gallen zum Bodensee, weiter nach Schaffhausen, Zürich, zur Rigi, nach Luzern, Interlaken, Bern und zurück nach Lausanne, um nur einige Stationen hier zu nennen), sondern eröffnet Einblicke in das Denken und Handeln der Vormärz-Revolutionäre, die in der Schweiz im „Jungen Deutschland“ und „Jungen Europa“ politisch tätig waren.
Neu erfahren habe ich durch diesen Reisebericht zum Beispiel, dass Eduard wohl am Steinhölzlifest teilgenommen und auf der Wanderung 1835 den preußischen Spion Ludwig Lessing aus Freienwalde, meiner Heimatstadt, tatsächlich kennengelernt hatte. Er erlebte mit, wie Lessing den Flüchtling Ehrhardt ohrfeigte, worauf es zu einem Duell kam, bei dem Ehrhardt verletzt wurde. Bald darauf wurde Lessing ermordet. Der Mörder wurde nicht gefunden. Durch das Aufsehen erregende Steinhölzlifest und den Mord an Lessing u. a. kommt es 1836 zur Ausweisung von Flüchtlingen aus der Schweiz. Das trifft auch Eduard und Hermann.
Georg Büchner ließ in Briefen an seine Eltern durchblicken, dass diese Flüchtlinge durch ihre politische Betätigung gegen das Asylrecht verstoßen hätten und damit zu Recht auszuweisen sind. Ja, das kann man so sehen.
Und doch liest man in dem Reisebricht auch von der Begeisterung, mit der Eduard die Schweizer Demokratie erlebt und beschreibt und sich durch die Freiheit in der Schweiz beflügelt fühlt, sich weiter für Veränderungen in seiner hessischen Heimat und in ganz Deutschland einzusetzen.
Schon als Junge hatte er sich für Schillers „Wilhelm Tell“ begeistert, nun suchte er mit Hermann den Ort auf, wo die Eidgenossen ihren Bund gegründet haben sollen, und fühlte sich bestärkt, für die Freiheit von der Willkür der Herrschenden zu kämpfen.
Durch den Reisebericht habe ich noch einmal mehr verstanden, was ihn bewegte, warum er sich engagierte, statt sich auf eine bürgerliche Existenz vorzubereiten, wie viele seiner Freunde, die später Lehrer, Pastoren, Juristen, Professoren, Familienväter … wurden. Er kommt mir näher als durch die Dokumentation (Federflug 23), in der u. a. die Texte über ihn und seine politischen Briefe, die er in seiner Funktion als Präsident des „Jungen Deutschland“ schrieb, zu finden sind. Der Reisebericht ist eine sinnvolle Ergänzung und rundet das Bild um das Persönliche ab, das wir uns von Eduard machen können. So aßen die Freunde unterwegs nicht nur gern „Käs und Brod“ zu guter Alpen-Milch oder Wein (den sie unterwegs in ihren Korbflaschen mit sich führten), sondern auch Kartoffeln mit Butter und Salz. Eduard war ein ausgezeichneter Koch von Kartoffel-Pfannkuchen, die er abends in manchen „Wirthshäusern“ selbst zubereitete und mit anderen genussvoll verzehrte. Auch das macht ihn mir so sympathisch!
Ich denke, dass es sich auch für den Familienbund lohnt, diesen Reisebericht noch einmal drucken zu lassen, damit auch Eduard, der Revolutionär, der 1837 schon starb und keine Familie gründen konnte, einen Platz und ein Andenken in der großen Familie behält.

  • Dank an Karin Scriba, die mir das alte Heft geschickt und mich zu dieser Arbeit ermuntert hat.
  • Dank an Hannes Scriba, der den Text transkribiert und weitergegeben hat, und mit dem ich mich anregend austauschen konnte.
  • Dank an meine Schulfreundin Juliane Böcker-Storch, die ein lateinisches Gedicht von Gustav Soldan, der zu Beginn der Wanderung dabei ist, für seinen Freund Eduard zum Geburtstag am 22. März 1834 oder 1835 übersetzt hat. Dieses Gedicht, das ich auf Latein schon vor zwei Jahren vom Staatsarchiv in Darmstadt erhielt, findet nun in diesem Teil C der „Ausstellung von Fundstücken“ (Federflug 24) einen Platz im Anhang.
  • Dank an meinen Vater Eberhard Bondick (D-Linie, Urenkel von Ferdinand – wie Hannes), der mein Interesse an den alten Familiengeschichten geweckt hat.
  • Dank an meinen Mann Dr. Oskar Cöster, der sich inzwischen auch für die Familiengeschichten interessiert, mich tatkräftig unterstützt hat und mir eine Arbeit zur Verfügung gestellt hat, die er 1970 als Kollegiat in Mainz geschrieben hat und die die Epoche der „Restauration und Revolution von 1815 bis 1850“ kurz und knapp darstellt. Ich finde sie passend für Federflug 23 und 24 (siehe Anhang), um Eduards politische Vorstellungen (Liberalismus, demokratische Bewegung, nationale Idee und europäische Zusammenhänge) und Ziele historisch einordnen zu können. Diese fast 50 Jahre alte Arbeit ist auch ein “Fundstück“. Sie kam zum Vorschein, als wir im April 2019 wegen einer fälligen Dachsanierung den Boden leer räumen mussten.

Hamburg im Frühjahr 2019

Regine Cöster-Bondick

Federflug 24 ist erscheinen

und im SHOP zum Preis der Druckkosten 14,00 Euro erhältlich.